Aktion "Lass uns mit offenen Karten spielen!"
Die Aktion „Lass uns mit offenen Karten spielen!“ ist eine Aktion des Vereins Wüstenblumen – Teilhabe für Zugewanderte im Kreis Rendsburg Eckernförde e.V. und der Gleichstellungsbeauftragen der Stadt Rendsburg. Mitglieder vom Verein Wüstenblumen und die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Rendsburg haben sich getroffen, um über das Thema Gleichstellung von Mann und Frau zu sprechen: Wie leben Frauen in anderen Ländern, wie wollen sie hier in Deutschland leben und was verhindert, dass das passiert. Gleich wird uns klar: Bei Menschen aus so vielen Ländern und unterschiedlichen Kulturen ist das „Wollen“ nicht genug, um selbstbestimmt und emanzipiert zu leben. Auf dem Weg zu einem selbstbestimmten und gleichberechtigten Leben müssen Frauen oft mit vielen anderen Themen zurechtkommen, mit Themen wie:
Rassismus
Diskriminierung
mit dem Glauben, dass man als „gute“ Frau nicht das Recht hat, so zu leben, wie man will
Angst vor Ehrenmord, weil man gegen gesellschaftliche Regeln verstoßen und den Namen der Familie oder des Ehemanns beschmutzt hat
mit dem Glauben, dass Frauen, die Mutter sind, nicht mehr an sich selbst denken dürfen
mit dem Glauben, dass die Männer in der Gesellschaft das Recht haben, über die Frauen zu bestimmen
sich als Muslima für ein Kopftuch zu entscheiden und sehr viel Abneigung von einigen Bürgern in Deutschland zu erfahren
Als Frau in einer patriarchalisch orientierten Gesellschaft geboren zu werden und zu leben, bringt Selbstverständlichkeiten im Alltag mit sich, die oft ohne Hinterfragen akzeptiert und erlebt werden. Frauen werden unterschätzt und dazu gebracht, daran zu glauben, dass sie nichts können. Sie wissen nicht, wie sie sich davon befreien können. Sie verstehen oder merken oft nicht, dass sie in diese frauenfeindlichen Konstrukte gesperrt sind. Sie sind depressiv, unglücklich und unzufrieden mit dem Leben und fühlen sich noch undankbar für alles, was sie haben, also leiden noch dazu unter ein schlechtes Gewissen. Unser Team für diese Aktion wollte einige dieser Selbstverständlichkeiten ans Licht holen, ihre Gültigkeit und Entstehungsmotivation hinterfragen und Frauen und Männer dazu bringen, daran zu denken und sich damit auseinanderzusetzen. Die Aktion trägt auf verschiedene Weise dazu bei, Paradigmen zu wechseln (Sichtweisen zu verändern). Bei der Aktion kämpfen Männer und Frauen Seite an Seite aus Ländern wie Afghanistan, Armenien, dem Iran, Syrien, dem Irak, Brasilien, Ghana, Ukraine, Polen und Deutschland für Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Die Aktion steht auch gegen Verallgemeinerung. Einige müssen mit ihren Vorurteilen aufräumen, wenn sie die Statements der Teilnehmer*innen lesen.
Die Statements sind auf fünf Sprachen zu lesen: Deutsch, Arabisch, Dari, Armenisch und Russisch. So kann unsere Botschaft viele Menschen erreichen.
Es kann sein, dass einige Botschaften der Postkarten selbstverständlich klingen und man sofort auf „Natürlich! Klar! Was sonst?“ kommt.
Um diese Botschaften verstehen zu können, braucht man ein bisschen Hintergrundwissen über die Situation der Frauen in anderen Ländern:
In 17 Ländern gibt es ein Gesetz, das Vergewaltiger straflos davonkommen lässt, wenn sie ihr Opfer heiraten.
Häufig wird noch die Tradition der „roten Äpfel“ in Armenien durchgeführt. Dabei schaut die neue Schwiegermutter des Mädchens nach der Hochzeitsnacht nach Blutflecken auf dem Bettlaken, und sollte sie diese finden, schickt sie einen Korb mit roten Äpfeln an die Mutter des Mädchens, welche diese dann mit der Familie und Nachbarn teilt. Falls dort kein Blutfleck zu sehen ist, wird das Mädchen zurück zu ihrer Familie geschickt, in einigen Fällen ermordet.
In Armenien muss die Frau, wenn sie arbeiten möchte, die Haare färben oder schneiden möchte, das Einverständnis ihres Mannes holen; und dort wird sehr oft abgetrieben, wenn die Frau erfährt, dass sie schwanger mit einem Mädchen ist, weil der Druck des Mannes und seiner Familie oft zu groß ist, dass sie einen Jungen zur Welt bringen soll.
In Afghanistan will die Mehrheit der Männer, dass niemand die Namen der Frauen ihrer Familie erfährt. Bei der Hochzeit z.B. oder beim Arzt, wenn ein Rezept ausgestellt wird, wird der Name der Frau nicht erwähnt. Im Rezept wird stehen Frau/Tochter/Schwester von Mohammed, Shafiullah, Ahmadschah… Eine Frau in Afghanistan wird niemals ihre eigene Entscheidung treffen können, erst muss sie ihrem Vater, Onkel, Bruder… gehorchen und später ihrem Mann.
Bei einem Brautraub, auch Raubheirat genannt, wird die zukünftige Braut ihrer Familie geraubt, um sie mit dem Entführer oder einem männlichen Mitglied der Tätergruppe zu verheiraten. Diese Praxis ist in weiten Teilen der Welt belegbar. Der Bräutigam entführt das Mädchen, vergewaltigt sie, feiert das mit Freunden, bringt das Mädchen dann zurück zu ihrer Familie und heiratet sie.
Weibliche Genitalverstümmelung bezeichnet die teilweise oder vollständige Amputation beziehungsweise Beschädigung der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane. Es gibt verschiedene Arten, diese Prozedur durchzuführen: die Klitoris kann teilweise oder vollständig entfernt werden sowie die kleinen und großen Schamlippen. In einigen Fälle wird die Frau genäht und nur ein kleines Orificium so groß wie der Kopf eines Streichholzes hinterlassen. In der Nacht der Hochzeit öffnet der Bräutigam die Vagina der Frau mit einem Messer oder Rasierklinge, um die Hochzeit zu vollziehen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben 25 Prozent der Mädchen und Frauen während des Eingriffs oder an seinen Folgen. Es wird geschätzt, dass weltweit etwa 200 Millionen beschnittene Mädchen und Frauen leben und jährlich etwa drei Millionen Mädchen, meist unter 15 Jahren, eine Genitalverstümmelung erleiden.
In den ländlichen Gegenden Mauretaniens schickt man seine Töchter während der Schulferien auf spezielle Fütterungsfarmen. Der Name der Praxis ist gavage. Bis zu 16.000 Kalorien werden den Mädchen täglich zugeführt. Zum Frühstück von Olivenöl durchtränktes Brot, kiloweise Hirsebrei, Datteln, Ziegenfleisch und an die 20 Liter Kamelmilch – pro Tag, wohlgemerkt. Dabei wird die Zunge oft mit einem Stäbchen heruntergedrückt, denn so viel kann beim besten Willen keiner essen. Die Zwangsmästung beginnt, wenn die Mädchen zwischen sechs und acht Jahre alt sind. Je dicker die Mädchen sind, desto früher kann man sie verheiraten.
In vielen Ländern ist Vergewaltigung in der Ehe keine Straftat.
In einigen Ländern dürfen die Frauen sich nur von ihren Männern trennen, wenn diese einverstanden sind.
Vielleicht ist jetzt einfacher nachvollzuziehen, warum einige unsere Statements nicht so selbstverständlich sind, wie das auf den ersten Blick scheint. Und einige dieser Statements gelten nach wie vor auch für Frauen hier in Deutschland.
„Ehe ist, den Willen meiner Schwester zu respektieren. Ellaha Sarwary und Ramez Sarwary (Afghanistan)
„Wo mein Platz als Frau ist, bestimme ich“ Zhanna Baghdasaryan (Armenien)
„Ich bin ein Mann. Echte Männer möchten echte Frauen. Frauen, die für sich selbst sprechen!“ Adnan Harazavian (Iran)
„Bring deinem Sohn Respekt vor Frauen bei, dann braucht deine Tochter sich nicht vor Männern zu schützen.“ Ramez Sarwary (Afghanistan)
„Ich brauche keinen Mann als Altersversorgung. Ich sorge für mich!“ Rosana Trautrims (Brasilien)
„Ich gehöre mir, sonst niemandem.“ Rahima Sharifi (Afghanistan)
„Ich denke mit meinem Kopf, nicht mit meinem Kopftuch.“ Hloa Hussen (Syrien) und Amna Ali Jabar Al Shawi (irak)
„Frau. Migrantin. Schwarz. Wenn etwas davon ein Problem für dich ist, sagt das mehr über dich aus als über mich.“ Cynthia Kpabitey (Ghana)
„Männer sind keine Altersversorgung.“ Muhammad Alhussain (Syrien)
„Frauen gehören niemandem, weder dem Vater noch dem Bruder noch dem Ehemann. Sie treffen ihre eigenen Entscheidungen.“ Naser Qoraishi (Afghanistan)
„Nicht nur die Frauen in deiner Familie und aus deiner Religion müssen respektiert werden, sondern ALLE Frauen.“ Muhammad Alhussain (Syrien)
„Für mich rede ich.“ Luydmila Saenko (Ukraine)
Für jede Postkarte gibt es auch ein Plakat. Die Postkarten und Plakate können von Schulen, Projekten, Migrationssozialarbeiter*innen, Gleichstellungsbeauftragten… benutzt werden. Man kann verschiedene Zielgruppen mit den Postkarten und Plakaten ins Gespräch bringen und Diskussionen über das Thema Gleichstellung, Vorurteile, Diskriminierung… anregen.
Wann: am 30.09.2022 im Rahmen der IKW 2022 (Interkulturelle Woche 2022)
Wo: Materialhofstraße 1b, 24768 Rendsburg (UTS)
Für wen: Migrant*innen und Einheimische
Kooperationspartner: Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Rendsburg und House of Resources Rendsburg-Eckernförde
Gefördert durch: House of Resources Rendsburg-Eckernförde
Das Projekt läuft seit dem 30.09.2022.
Für jede Postkarte gibt es auch ein Plakat im Format A3. Postkarten und Plakate können kostenlos bei uns abgeholt werden
Unser Team stellt sich zu Verfügung, über die Postkarten mit Vereinen, Institutionen, Gleichstellungsbeauftragten, Migrationssozialberater*innen, … vor Ort zu sprechen.